Montreal-Klassifikation Hausarztbrief

News-Letter an 254 Hausärzte und Facharzt-Kolleginnen und Kollegen  im Rhein-Neckar-Dreieck  vom  01.12.2011

Sehr geehrte Frau Kollegin !   Sehr geehrter Herr Kollege !                    Ludwigshafen, den 01.12.2011

 Im Winter  Asthma + Infekte … .

Im Winter treten  mit regelmäßiger Systematik immer wieder Atemwegsinfekte auf.  Sowohl bei der COPD als auch beim Asthma wissen wir um die Infekt-getriggerten Atemwegs-Erkrankungen.  Ist die Allergie-Zeit vorbei, werden  die Wintermonate für die Betroffenen zu einer neuen Herausforderung. Denn im Winter triggern die Saison-abhängigen Auslöser (Kälte, Infekte, Influenza, Austrocknung der Schleimhäute) die Asthma-und COPD-Rückfälle (Exazerbationen).

Asthma-Hypothesen (Paradigmen): In den letzten vierhundert Jahren wurden verschiedene Asthma-Beschreibungen in der Literatur veröffentlicht, die zur Hypothesen-Bildung über die Asthma-Entstehung weiterentwickelt wurden. Eine NIH-Arbeitsgruppe hat diese Entwicklung zusammengefasst und dabei 8 relevante Asthma-Paradigmen aus den letzten 100 Jahren extrahiert. (1)

Alle 8 Paradigmen beschreiben Teil-Aspekte der Asthma-Erkrankung, vermögen aber das Ganze nicht darzustellen. Die Asthma-Forschung der letzten 50 Jahre hat einen enormen Zuwachs an zellulärem, molekularbiologischem, immunologischem, mikrobiologischen, genetischem und genomischem Verständnis erbracht. Alle Versuche die Asthma-Heterogenität und damit auch die Genese zu erklären sind jedoch bisher gescheitert.

Auflösung des bisherigen Asthma-Begriffes: Seit einigen Jahren beginnt sich der konventionelle Asthma-Begriff aufzulösen. Die Forscher versuchen mit einer Phänotypisierung die Asthma-Untergruppen genauer zu beschreiben. Es wird immer klarer, dass es wohl keinen einheitlichen Asthma-Begriff gibt. Es findet immer häufiger eine Individualisierung der Asthma-Therapie statt.  Die  ICS/LABA/SABA-Therapie ist zwar als „state of the art“ gesichert, aber ein erheblicher Teil der Betroffenen benötigt sie sicherlich nicht dauerhaft. Da es keine klaren  wissenschaftlich abgesicherten Forschungsergebnisse gibt, werden alle gleich erfolgreich behandelt – jedoch mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die bisher nach meiner Einschätzung beste Asthma-Definition wurde 2002 von der pharmakologischen Arbeitsgruppe aus Harvard um Jeffrey Drazen geliefert:

Asthma-Definition – 2002:   Jeffrey Drazen (Lyle Palmer) – Harvard University:

Pharmakologische Asthma-Definition als Syndrom unklarer Herkunft

„Asthma ist eine häufige, chronische Erkrankung der Atemwege unklarer Herkunft, für die man eine Anzahl von pharmakologischen Behandlungsverfahren entwickelt hat.  Asthma ist mehr ein Syndrom als eine eigenständige Erkrankung und hat vielfältige umgebungsbedingte und genetische Einflussfaktoren“.  (2)

Der Vorteil der von Lyle Palmer vorgeschlagenen Asthma-Definition  liegt darin begründet, dass  er einen offenen Zugang zu der chronischen Erkrankung der Atemwege erlaubt und es damit  ermöglicht, auch außerbronchiale Faktoren als Ursache für die Asthma-Entwicklung zu identifizieren.

Die Grundlagen-Forschung hat bisher drei große Cluster als „Begleit-Musik“ bei der Asthma-und COPD-Entstehung identifiziert.

1.. Infektionen in der frühen Kindheit sind für die COPD und Asthma-Genese von erheblicher Bedeutung. (3) Husten selbst führt zu einer erheblichen Reflux-Aggravation. (4)

2.  Die Montreal-Klassifikation hat 2006 – bei den extra-ösophagealen Manifestationen der Reflux-Krankheit – für die Erwachsenen das Reflux-induzierte Asthma, den Reflux-induzierten Husten, die Reflux-induzierte Laryngitis und die Reflux-induzierte Dental-Erosion als Entität in einer großen Consensus-Konferenz als gesichert akzeptiert. (5)  Für Kinder wurde 2009 ein Reflux-Consensus-Papier veröffentlicht.(6)

3.  Schlafbezogene Atemregulationsstörungen spielen als Co-Morbidität eine Rolle bei der Freisetzung inflammatorischer Zytokine, die zur Aggravierung des Asthma bronchiale beitragen können. (7, 8)

4. Asthma bronchiale geht häufig mit einer erheblichen Störung des Schlafes einher. Turner-Warwick berichtete 1988 bei über 90% der Patienten Asthma-Symptome während der Nacht.  (9)

5. Genetik  – Zwillings-Studien

Familien-Studien sowie Studien bei eineiigen Zwillingen  belegen eine starke genetische Beziehung.  Beim Asthma spricht man inzwischen davon, dass ca. 60 Prozent der Erkrankung vererbt werden. (10)

 

Zusammenfassung:      In Zusammenarbeit mit den  Gastroenterologen, HNO-Kollegen, Pädiatern, Kinder-Radiologen und Kinder-Gastroenterologen und Zahnmedizinern, Kinder-Chirurgen  habe ich seit 1989 –  seit nun mehr als 20 Jahren –  für diese „pathways“ eine interdisziplinäre Differential-Diagnostik entwickelt, die diese komplexen Zusammenhänge abbildet.

Etablierte Assoziationen zwischen der gastro-ösophagealen Reflux-Krankheit und den Folge-Erkrankungen

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Montreal-Klassifikation (13)

Von der Montreal – Klassifikation gesicherte   extra-ösophageale Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (13)

 

Reflux-induzierter Husten Reflux-induzierte Laryngitis
Reflux-induziertes Asthma bronchiale Reflux-induzierte Dental-Erosoin

 

Von der Montreal – Klassifikation  vorgeschlagene  extra-ösophageale Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (13)

 

Pharyngitis      Rezidivierende Otitis Media
Sinusitis Idiopathische Lungenfibrose

 Allgemeine Vorbemerkung:  Mindestens 30% aller Patienten (Bortolotti, Mailand)  mit respiratorischen Beschwerden haben Reflux-induzierte Respirations-Trakt-Probleme, wie Husten, nicht produktive Bronchitis, Aspirationen und rezidivierende Pneumonien.   Bei den Asthmatikern weisen 80 % (Sontag, USA) aller Patienten eine pathologische Refluxösophagitis auf. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung auch die EN-GERD-Fälle über eine obligatorische LES-4-Quadranten-Biopsien zu identifizieren. Dieses Verfahren sollte übrigens auch bei Kindern durchgeführt werden. Nicht selten wird dabei eine Refluxösophagitis 1. oder 2. Grades (LA A,B) identifiziert oder ein EN-GERD mit einem histologischen (Micro)-Barrett erfasst.

Definition des Reflux-assoziierten Hustens und / oder des Reflux-induzierten Asthma bronchiale

Husten der länger als  2 Monate anhält und / oder öfter als 3x / Jahr auftritt. Der Verdacht sollte bei „rekurrenten“ Ereignissen aufkommen und in eine interdisziplinäre Reflux-Diagnostik münden.

INDIKATION zur Einleitung einer  interdisziplinären pneumologisch-gastroenterologischen  Reflux-Diagnostik:

  1. Jeder länger als 4 -8 Wochen andauernde Husten
  2. Jeder rezidivierende Husten (smoker and non smoker bronchitis)
  3. Jedes Asthma bronchiale, das trotz optimierter Therapie einen schwankenden Verlauf zeigt.
  4. Husten im Liegen / od. in der Nacht. Der Husten ist ein Frühsymptom bei Asthma bronchiale.
  5. Husten bei Belastung / Treppensteigen u. / od. beim Lagewechsel
  6. „Rekurrente ’fieberhafte Infekte’“ / rezividierende Bronchitiden & Pneumonien
  7. Belastungs-Dyspnoe und „nicht kardialer Thoraxschmerz“ (non cardiac chest pain)
  8. Giemen beidseitig / od. einseitig trotz normaler Lungenfunktion (auskultiert bei forcierter Exspiration = FEV1-Manöver)
  9. Jedes therapie – refraktäre Asthma bronchiale bei Kindern und Erwachsenen!
  10. Alle Asthma-Formen (intrinsic + extrinsic = mixed, “early and late onset”)
  11. Husten nach Medikation von Ca-Antagonisten, Nitraten, Codein, Theophyllin u. ß2-Agonisten, ACE-Hemmern, Progesteron („Pille“)
  12. Wiederholt auftretende akute und chronisch rezidivierende Laryngitiden (u.a. die „posteriore“ Form)
  13. Bei Kindern wiederholt auftretende Otitiden oder „glue ears“, chronische Sinusitiden, Heiserkeit („wet voice), chronische Pharyngitiden
  14. Schwangerschafts-induziertes Asthma bronchiale
  15. Schwangerschaft   + Asthma + SAS

Diagnostische Verfahren und Optionen

1.)Für die Reflux-Diagnostik steht uns in enger Zusammenarbeit mit den Gastroenterologen die weiterentwickelte pH-Metrie in Form der 48-Stunden-BRAVO-Kapsel-pH-Metrie zur Verfügung.

2.)Zur Unterscheidung der Infekt – versus Allergie-getriggerten Atemwegserkrankung können wir auf die FE-NO – exhalative Stickoxid-Messung – zurückgreifen.

3.)Die schlafbezogenen Atemregulationsstörungen können wir sowohl polygraphisch und /oder auch polysomnographisch im häuslichen Setting messen.

4.)Zusätzlich können wir Ihnen in  unserem ambulanten Schlaf-Labor die ambulante oder stationäre Variante für Ihre Patienten anbieten.

 

Literatur

  1. A Centennial History of Research on Asthma Pathogenesis-ATS-2005:  DOI: 10.1165/rcmb.F300:   http://ajrcmb.atsjournals.org/cgi/content/full/32/6/483
  2. Lyle J. Palmer, Eric S. Silverman, Scott T. Weiss, and Jeffrey M. Drazen  Pharmacogenetics of Asthma.  Am. J. Resp. Crit. Care Med.: Vol 165, No 7 April 2002: 861-866
  3. Burrows B, Knudson R, Lebowitz M. The relationship of childhood respiratory illness to adult obstructive airway disease. Am Rev Respir Dis 1977;115:51–60
  4. Shinji Teramoto, et. al.  Nocturnal Gastroesophageal Reflux; CHEST. 2002; 122:2266-2267
  5. Vakil N et. al. The Montreal Definition and Classification of Gastroesophageal Reflux Disease: A Global Evidence-Based Consensus Am J Gastroenterol 2006; 101:1900-1920; © _2006 by Am. Coll. of Gastroenterology  doi: 10.1111/j.1572-0241.2006.00630.x  – ISSN 0002-9270
  6. Philip M. Sherma n ,  et. al. A Global, Evidence-Based Consensus on the Definition of Gastroesophageal Reflux Disease in the Pediatric Population. Am J Gastroenterol 2009; 104:1278–1295; doi: 10.1038/ajg.2009.129; published online 7 April 2009
  7. Guilleminault C.  Nocturnal Asthma: snoring, small pharynx and nasal CPAP;  1988, ERS-1-902-907
  8. Alkhalil M, Schulman ES, Getsy J    Obstructive sleep apnea syndrome and asthma: the role of continuous positive airway pressure treatment. Ann Allergy Asthma Immunol 2008; 101:350-357
  9. Turner-Warwick, M: Epidemiology of nocturnal asthma. Am J Med 1988; 85: 6-8
  10. G Koeppen-Schomerus, J Stevenson and R Plomin. Genes and environment in asthma: a study of 4 year old twins Arch. Dis. Child 2001, 85: 398-400.  doi:10.1136/adc.85.5.398

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuletzt aktualisiert am: 23.11.2015

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