Epidemiologie der Depression im Kindesalter
Fall-Bericht: Case-Report
18 Jahre alter türkischer Junge: geb. 1998 – Aufnahme im Jahre 2016 – Code: 12414
Schauen wir uns die Fall-Geschichte eines jungen Mannes im Alter von 18 Jahren an. Er kommt bereits mit einer anti-depressiven Tabletten-Medikation: Citalopram 10mg 1-0-0 zur schlafmedizinischen Aufnahme-Untersuchung.
Anamnese 13.09.16: Code: 12414, 18 Jahre, männlich, BMI: 25.1 = Normalgewicht: Schnarchen nicht bekannt, morgens sei er fertig, exzessive Tagesschläfrigkeit EDS wird verneint, durchschnittliche Schlaf-Länge pro Nacht: 6-7 Stunden, unregelmäßig Nachtschweiß, öfters Kopfschmerzen manchmal muss er IBUPROFEN nehmen, Dreh-und Schwank-Schwindel, Schädel-Hirn-Traum nicht erinnerlich. Im Jahre 2012 im Alter von 14 Jahren Pneumonie gehabt. Nieraucher-Status, keine Drogen, Alkohol-Genuss: nie. Allergie-Status: negativ. Beruf: Realschüler. Letzte Rö-Thorax-Aufnahme: keine MdE: keine Medikation: Citalopram 10mg 1-0-0. Familien-Anamnese: Mutter Schwindelanfälle.
Vor-Geschichte: Familien-Anamnese: Familiäres Asthma Syndrom: Schwester ist an Asthma bronchiale erkrankt.
Untersuchungsbefund: Größe 186cm, Gewicht 87kg, BMI 25.1(Norm<25), Waist to hip ratio=94:96.5=0.97 (Männer WHR > 1,0 / Frauen WHR > 0,8), .WtHR-Waist-to-Height-Ratio=94:186=0.51 (J Clin Endocrinol Metab 2010), Bizepsumfang: 33cm. RR 125/75 mmHg links, RR 130/75mmHg rechts – Liegend-Messung. Manschettenbreite: 13.5cm Breite. (RR-Normwert: <120/<80mmHg. (Quelle: JNC 7), KS sonor AG vesikulär, bei FEV1 Leises hoch-frequentes Giemen , keine Zyanose; Giemen+ verlängertes AG beim Peak-Flow-Manöver, Respirations-Rate (AF): 16/M. SaO2: 98%. Puls: 61/M. HT o.B. Neck circumference 40.5: 42 cm. ∆=1.5 Mallampati II. Steilstellung der BWS.
Untersuchungs-Ergebnisse:
Schlafmedizinische Diagnosen: | OSAS-AHI-18.8/h-Puls-Varianz-Index:20.6/h |
Insomnie | ISI-Score: 18 Punkte – Klinische Insomnie 15-21 Punkte Moderater Schweregrad |
Medizinische Diagnosen: | Depression, Nachtschweiß, Kopfschmerzen, Schwindel, |
Belafsky et.al-2002: Score: | 11 Punkte – grenzwertig – (In der Bevölkerung liegt der Median bei 10) |
Blutgas-Analyse BGA: | pO2 55.8mmHg, pCO2 40.2mmHg ; SaO2 89.4%- Respiratorische Insuffizienz Typ I |
Pneumologische Diagnosen: | DD Asthma Syndrom |
Asthma-Phänotypisierung : | Early onset – „Childhood respiratory troubles“ – CRT: pneumonia type |
Wenn man diese Untersuchungs-Ergebnisse betrachtet, stellt sich die Frage:
1.)Haben die Einzelergebnisse (= Diagnosen) etwas mit einander zu tun ?
2.)Wann beginnen die einzelnen Beschwerden und Erkrankungen und in welchem Zeitfenster können wir sie identifizieren ?
Betrachten wir die Altersgruppe der 5-18 Jährigen, dann finden wir die folgende Symptom-Anhäufung (Allokationen):
Wiederholte Mittelohrentzündungen, Albträume, Sprechen während des Schlafes, verwirrtes Aufwachen (confusional arousals), Schlafwandeln, Tagesschläfrigkeit, unruhiger Schlaf, Einnässen, Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit (Konzentrationsschwierigkeiten), Probleme mit dem Aufstehen, Sabbern, Hypersalivation, morgendliche Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit(Ein-und Durchschlafstörungen), Lernschwierigkeiten, verspätete Pubertät, Kreuzbiss, Fehlbiss (Malocclusion Klasse II oder III), overcrowding of teeth, Wechselnde Gemütslage, z.B. Depression, DSPS (Delayed sleep phase syndrome) und Hypertonus
Im Laufe der Kindheit treten über zufällig häufig eine Reihe von Ereignissen auf, die scheinbar nicht im Zusammenhang stehen. Betrachtet man diese Ereignisse jedoch retrospektiv, so fällt auf, dass in der Altergruppe der Schulkinder vom 5. bis zum 18. Lebensjahr von den insgesamt 26 Symptomen mindestens 10 ( zehn !) mit dem Schlaf und einer Schlafstörung assoziiert sind.
Wenn aber 10 von 26 Symptomen auf eine Störung des Schlafes deuten, dann sollte am Anfang jeglicher Diagnostik und Therapie der Diagnose-Nachweis oder Diagnose-Ausschluß einer schlafbezogenen Atem-Regulationsstörung stehen. Mit diesem Evidenz-basiert gesichertem Vorgehen würde eine Vielzahl von Erkrankungen wie z.B. auch eine Depression im Kindesalter erst gar nicht entstehen können
Eine Reihe von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensaufälligkeiten wird bei bekanntem ADS/ADHS mit Ritalin ® und Concerta® behandelt oder sogar mit einem antidepressiven Medikament eingestellt.
Siehe unten in diesem Artikel: Tabelle der Verhaltens-bedingten Störungen mit Hinweis-Charakter für das Vorliegen einer Schlaf-bezogenen Atem-Regulationsstörung bei Kindern
2.) Zehn bis Zwanzig Prozent der wiederholt auftretenden Depressionen folgen dem Verlauf der Jahreszeiten: Im Herbst/Winter treten die Depressionen auf und remittieren im Frühjar und Sommer. Diese zyklisch auftretenden depressiven Störungen werden als saisonale Affektstörung (seasonal affective disorders – SAD) klassifiziert. Die SAD wurde 1984 von Rosenthal beschrieben und ist eine im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders kodierte Erkrankung. Bei Erwachsenen werden diese Affektsörungen schon selten genug diagnostiziert. Bei Kindern und Jugendlichen ist erwartungsgemäß davon auszugehen, dass dieser „Seiten-Ast“ der Depression patientenseitig und ärztlich nur sehr selten wahrgenommen und damit auch nicht adäquat diagnostiziert wird.
Epidemiologie der saisonalen Affektstörung (seasonal affective disorders – SAD)
Die SAD-Prävalenz in den USA zeigt im Norden mit 9.7% in New Hampshire und 1.4% in Florida eine Latituden assoziierte Variationsbreite. In anderen Teilen der Welt ist die Latituden-assoziierte Korrelation jedoch nicht signifikant.
Die saisonale Affektstörung (SAD) wurde auch bei Kindern identifiziert. Betroffen sind sonst überwiegend junge Erwachsene und Frauen, die Geschlechtsverteilung zeigt eine Schwankungsbreite bei F:M von 2:1 bis 9:1.
Die SAD-Genese ist nicht sicher identifiziert. Es werden jedoch die folgenden Modelle als wahrscheinlich adressiert: dabei liegt der Fokus bei den Neurotransmittern, bei den zyklischen, zirkadianen und pulsatilen Hormon-Fehlregulationen, den genetischen Polymorphismen sowie psychologischen Einfluss-Faktoren.
Quelle: Kathryn A. Roecklein, Kelly J. Rohan, PhD Seasonal Affective Disorder – An Overview and Update, Psychiatry (Edgmont). 2005 Jan; 2(1): 20–26.
Tabelle der Verhaltens-bedingten Störungen mit Hinweis-Charakter für das Vorliegen einer Schlaf-bezogenen Atem-Regulationsstörung bei Kindern
Symptome von Schlaf-bezogene Atmungsstörungen bei Kindern nach dem Alter sortiert. Die Verhaltens-bedingten Störungen haben einen Hinweis-Charakter für das Vorliegen einer Schlaf-bezogenen Atem-Regulationsstörung bei Kindern (Sinha et Christian Guilleminault: (Indian J Med Res 131, Feb 2010, pp 311-320)
Säuglinge (3-12 Monate) | Kleinkinder (1-3 Jahre) | Vorschulalter (3-5 Jahre) | Schulkinder (5-18 Jahre) |
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Schnarchen | Schnarchen | Schnarchen | Schnarchen |
Apnoe | Apnoe | Apnoe | Apnoe |
Häufiges Erwecken/ Aufwachreaktion/Erregung | Häufiges Erwecken/ Aufwachreaktion/Erregung | Häufiges Erwecken/ Aufwachreaktion/Erregung | Häufiges Erwecken/Aufwachreaktion/Erregung |
Mundatmung/trockener Mund | Mundatmung/trockener Mund | Mundatmung/trockener Mund | Mundatmung/trockener Mund |
Nachtschweiß | Nachtschweiß | Nachtschweiß | Nachtschweiß |
Gedeihstörung | Gedeihstörung | Gedeihstörung | Gedeihstörung |
Verstopfte Nase | Verstopfte Nase | Verstopfte Nase | Verstopfte Nase |
Überstreckter Nacken | Überstreckter Nacken | Überstreckter Nacken | Überstreckter Nacken |
Wiederholt auftretenden Mittelohr-entzündungen/oberer Atemwegsinfekt | Wiederholt auftretenden Mittelohr-entzündungen/oberer Atemwegsinfekt | Wiederholt auftretenden Mittelohr-entzündungen/oberer Atemwegsinfekt | Wiederholt auftretenden Mittelohr-entzündungen / oberer Atemwegsinfekt |
Lautes Atmen | Lautes Atmen | Sabbern, Hypersalivation | Albträume |
Nuckeln/Saugen - schlecht ?? | Nachtängste | Nachtängste | Sprechen während des Schlafs |
Apparent life threatening event (ALTE) | Confusional arousal | Confusional arousal | Confusional arousal |
Gestörter Tag-Nacht Rhythmus | Reizbarkeit/Erregbarkeit | Schlafwandeln/Nachtwandeln | Schlafwandeln/Nachtwandeln |
Stridor | Tagesschläfrigkeit | Tagesschläfrigkeit / Persistent naps | Tagesschläfrigkeit / Persistent naps |
Atemaussetzer | Unruhiger Schlaf | Unruhiger Schlaf | Unruhiger Schlaf |
Einnässen | Einnässen | ||
Überaktivität, Hyperaktiv, Unaufmerksamkeit (Konzentrationsschwierigkeiten) | Überaktivität, Hyperaktiv, Unaufmerksamkeit (Konzentrationsschwierigkeiten) | ||
Probleme mit dem morgendlichen Aufstehen | Probleme mit dem morgendlichen Aufstehen | ||
Sabbern/Hypersalivation | Sabbern/Hypersalivation | ||
Morgendliche Kopfschmerzen | Morgendliche Kopfschmerzen | ||
Schlafen in der Knie-Brust-Lage | Insomnie - Schlaflosigkeit | ||
Lernschwierigkeiten | |||
Verspätete Pubertät | |||
Kreuzbiss, Fehlbiss (Malocclusion Klasse II oder III), overcrowding of teeth | |||
Wechselnde Gemütslage, z.B. Depression | |||
DSPS (Delayed sleep phase syndrome) | |||
Hypertension | |||
Christian Guilleminault: (Indian J Med Res 131, Feb 2010, pp 311-320) |
Wenn Sie oder ihr Kind rückblickend unter einer oder mehrerer dieser Erkrankungen gelitten haben, dann besteht von vornherein (a priori) eine hohe Vortest-Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer nicht diagnostizierten Schlaf-bezogenen Atem-Regulationsstörung.
(C) Jan Ryba Pneumologe / Allergologie / DGSM / Schlaf-Medizin / Ernährungsbeauftragter Arzt /Verkehrsmedizinische Qualifikation